Ursachen für Schmerzen in der Halswirbelsäule

Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule können unterschiedlichste Gründe haben.
Wer meist verdächtigt wird, sind Muskeln oder die Bandscheibe. Warum das nicht ganz so einfach ist, und wie Physiotherapie dir dabei helfen kann, erfährst du hier.

Knöcherner Aufbau

Die Halswirbelsäule besteht aus insgesamt sieben Wirbeln. Sie beginnt direkt unter dem Schädel mit dem ersten Halswirbel (genannt „Atlas“) und endet mit dem 7. Halswirbel, der direkt an die Brustwirbelsäule anschließt. Die Halswirbel sind breiter, als man sich meist vorstellt. Versuche mal, seitlich an deinem Hals rechts und links mit leichtem Druck den Wirbel zu finden. Es ist die erste wirklich harte und unbewegliche Struktur, die dir entgegen kommt.

 

Auch an der Rückseite kannst du die Halswirbelsäule gut tasten. Wenn du vom Hinterkopf mittig mit den Fingern runterwanderst, kannst du als erstes den Dornfortsatz des zweiten Halswirbels spüren, der erste Halswirbel hat nämlich keinen. Die Dornfortsätze, die sich wie harte Knubbel, anfühlen kannst du im Verlauf der ganzen restlichen Wirbelsäule ertasten.
Zwischen den Wirbelkörpern liegen die Bandscheiben, jedoch sind die Wirbel auch über je zwei kleine Gelenke mit dem Wirbelkörper darunter und darüber verbunden. Das sorgt für zusätzliche Stabilität. Genannt werden sie die Zwischenwirbel- oder Facettengelenke.

Halswirbelsäule Physiotherapie Gleisdorf

Bänder und Gelenkskapseln

Weitere Strukturen in der Halswirbelsäule sind Bänder und Gelenkskapseln, die die Wirbel besonders gut stabilisieren, ohne, dass du dafür Muskelkraft aufwenden musst. Selbst im Schlaf oder Koma bleiben die Wirbel zusammen! Du kannst dir diese Struktur wie Formwäsche für die Wirbel vorstellen: Sie halten alles zusammen, sind aber trotzdem so elastisch, dass du dich bewegen kannst. Sie bedecken auch die Bandscheiben zusätzlich.

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Bandscheiben

Halswirbelsäule Nerven

Danach die wohl berühmteste Struktur in der Halswirbelsäule: Die Bandscheibe. Bandscheibe ist ein ungünstiges Wort, denn sie kann viel mehr als einfach nur wie ein Burgerpatty zwischen zwei Wirbeln herumliegen. Im Gegenteil, sie ist mit den Wirbeln fest verbunden, wie verheiratet für die Ewigkeit. In diesem Bund gibt es kein Entkommen und rausgleiten/rausspringen oder verschieben. Vielmehr ist es ein gemeinsames Bewegen und Stützen der Halswirbelsäule. Wäre die Bandscheibe steif, könntest du die Halswirbelsäule überhaupt nicht bewegen.
Es gibt Bandscheibenvorwölbungen oder sogar Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule, aber dabei bleibt trotzdem die Verbindung zwischen den Wirbelkörpern bestehen. Mit einem Bandscheibenvorfall meint man meist das Austreten des inneren, zähflüssigen Kerns aus der Bandscheibe.

Nerven in der Halswirbelsäule

Die Halswirbelsäule sorgt nicht nur dafür, dass wir den Kopf nicht hängenlassen, sondern, sie ist auch noch ein sehr guter Schutz für die Hauptleitung des Nervensystems, nämlich das Rückenmark. Das wird von den Wirbelkörpern umhüllt wie ein dickes Kabel in einem beweglichen Rohr. Wichtige Strukturen werden eben besonders gut geschützt! Gleichzeitig gehen seitlich wie bei einem Baum die Äste bei jedem Wirbelkörper Nervenstränge weg. Im Falle der Halswirbelsäule sind das Nerven, die den Hinterkopf, Hals und Nacken, Schultergürtel und Arme versorgen. Durch die besondere Nähe zu anderen Nerven, die direkt aus dem Schädel kommen, können auch Nerven, die Kopf und Gesicht und Ohren versorgen, bei Problemen in der Halswirbelsäule betroffen sein.

Muskulatur

Als Nächstes kommt die Muskulatur. Alles was du an deiner Halswirbelsäule bewusst bewegen kannst, passiert über Muskeln! Einerseits gibt es die „kurzen“ Nackenmuskeln, die besonders nah an der Halswirbelsäule liegen und diese so gut stabilisieren können. Diese sind von außen kaum zu ertasten, denn sie sind von den voluminöseren Muskeln gut bedeckt. Sie gehören zu den Strukturen, die einfach „da“ sind und selten Aufmerksamkeit bekommen. Außer es heißt, du musst deinen Nacken stabilisieren, dann wird oft genickt und gewackelt, was das Zeug hält.

Wenn du Verspannungen im Schulter-Nackenbereich ertasten kannst, wirst du dabei wahrscheinlich die großflächigeren Muskeln an der Außenseite spüren. Diese verlaufen vom Schädel zur Schulter, nur über die Halswirbelsäule, von der Halswirbelsäule zu den Rippen, vom Zungenbein zur Schulter, von der Halswirbelsäule zum Kiefer usw.

 

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Faszien

Dann gibt es noch Bindegewebe oder auch Faszien, die um die Halswirbelsäule verlaufen. Was mit Faszien gemeint ist? Das ist je nachdem, wen man fragt, garnicht so klar. Eine Definition ist „bindegewebige Muskelbinde“ – man kann davon ausgehen, dass es bei so viel „binden“ auf jeden Fall etwas verbindet… Oder es ist eine „flächige, derbe Hüllschicht um die Muskulatur“.
Meist jedenfalls ist dabei ein festes, kollagenreiches Material gemeint, dass aber auch an anderen Stellen im Körper vorkommt, wie zum Beispiel an Bändern oder Sehnen. Weniger wie ein Gummi, mehr wie ein fester, aber doch dehnbarer Stoff.
Teils gehen die Faszien in andere Strukturen wie Bänder und Sehnen über, ohne, dass man eine klare Grenze ziehen kann. Die meisten jedoch sind sich darüber einig, dass Faszien passive Strukturen sind, die andere Gewebe wie Muskeln und Organe umhüllen. Das heißt, sie bewegen sich nicht wie ein Muskel aktiv oder leiten keine Impulse weiter wie Nerven, sind aber Teil des Stützsystems und halten unser Inneres an seinem Platz.
Ich habe aber auch schon mit Leuten gesprochen, die mit Faszien quasi alle Strukturen im Körper meinen. So wie mein Chemielehrer mit „Alles Leben ist Chemie“ und der Physiklehrer mit „Alles Leben ist Physik“ eine Anschauung hatten, ist es anscheinend auch mit „Alles im Körper ist eine Faszie“ so.

Weitere Strukturen

Und schlussendlich haben wir im Verlauf der Halswirbelsäule auch noch andere Strukturen wie Luftröhre, Speiseröhre, Kehlkopf, Zungenbein, Arterien und Venen, die Schilddrüse, Lymphknoten und -bahnen. Alles bedeckt von der Haut.

Was ist schuld am Schmerz?

Das sind jede Menge Strukturen! Und sehr viele bleiben nicht einfach in der Halswirbelsäule, sondern verlaufen weiter in alle Richtungen und verbinden die Halswirbelsäule mit dem Rest vom Körper. Das ist natürlich supersinnvoll, um uns im wahrsten Sinne des Wortes zusammenzuhalten, aber: Es macht es nicht immer leicht, zu identifizieren, woher ein Schmerz genau kommt. Denn alle diese Strukture sind innerviert, also an das Nervensystem „angeschlossen“ und können somit auch Schmerzsignale an das Gehirn senden. Natürlich gibt es Tests und Bewegungen, die eher auf eine als auf eine andere Struktur schließen lassen können, aber zu 100% kann man sich meist nicht sicher sein.

Dazu ein kurzes Gedankenspiel: Drehe deinen Kopf nach rechts (Oder das andere rechts). Was wird dabei belastet? Die Bewegung führen die Muskeln aus.
Ha – das könnte der Grund sein, der Muskel ist verspannt! Aber es bewegt sich auch der Rest mit. Die Nerven, die Faszien, die Blutgefäße – alles muss sich mitverlängern oder verkürzen, um die Bewegung zuzulassen. Muskelzüge zum Kiefer sorgen dafür, dass sich dort die Spannung bei der Drehung des Kopfes ändert, in der Wirbelsäule drehen sich nicht nur die Halswirbelsäule mit den Bandscheiben, sondern die Bewegung läuft leicht weiter in die Brustwirbelsäule. Eine Seite der Nervenausgänge im Nacken verengt sich bei der Bewegung leicht, während die andere sich vergrößert. Die Nerven seitlich der Halswirbelsäule verlaufen bis in die Fingerspitzen, das Rückenmark und die weiter daran hängenden Nerven bis zum kleinen Zeh. Theoretisch kann jetzt also ALLES wehtun. Gottseidank sieht die Praxis anders aus!

 


Die Halswirbelsäule in der Physiotherapie behandeln

 

So. Was nun? Tatsache ist, man kann nie nur eine Struktur testen, weil sie so nah beinander liegen. Aber es gibt Möglichkeiten, herauszufiltern, welche Struktur eher in Frage kommt und was dir helfen kann, die Schmerzen zu lindern. Dazu reicht aber ein Test kaum aus. Vielmehr versuche ich, meine Hypothese mit mehreren Tests zu bestätigen oder zu verwerfen. Die erste Hypothese bilde ich mir schon während des ersten Gespräches, der Anamnese. Hierbei möchte ich unter anderem herausfinden, welche Symptome du hast, wo sie auftreten und wann sie das tun. Taubheit und Kribbeln beispielsweise sind typische Anzeichen für die Betroffenheit des Nervensystems. Ich versuche dann, meine Hypothese aus dem Erstgespräch mit weiteren körperlichen Tests zu bestätigen oder zu verwerfen und dann die Behandlung daran anzupassen.

Übrigens auch bei der Behandlung gilt: Man kann nie nur eine Struktur
behandeln, dh. vielleicht werden deine Nackenschmerzen durch Training
der Muskulatur besser, dabei reagieren aber die Nerven und Faszien auch auf die
Bewegung usw.

Leider kommt jetzt noch Einiges, das die Behandlung spannender macht, oder anders gesagt: komplexer. Unser Körper entscheidet sich nicht immer für EINE Struktur, die betroffen ist. Beispielsweise: Die Bandscheibe drückt auf den Nerv – du hast dadurch Schmerzen und Kribbeln im Arm, aber auch die Bandscheibe selbst kann Schmerzen verursachen. Auch diese Schmerzen sind nicht immer ortsgebunden, sondern können auch beispielsweise in die Brustwirbelsäule ausstrahlen. Durch den Bandscheibenvorfall kann es zu einer lokalen Entzündung kommen und in der Nähe der Halswirbelsäule gibt es jede Menge Strukturen auf engem Raum. Muskel, Gelenkskapsel, Bänder… – alles reagiert. Vielleicht verspannt sich deshalb deine Nackenmuskulatur. Vielleicht nimmst du eine Schonhaltung, als Schutzmechanismus ein. Und vielleicht ist irgendwann der Schmerz in den Armen weg, aber die Verspannung bleibt länger? Und der wichtigste Faktor: du selbst! Schmerzen sind nicht bei jedem gleich stark, gleich lang, gleich nervig und entstehen nicht durch denselben Auslöser. Man weiß inzwischen, dass deine Vorerfahrungen, Vorerkrankungen, dein Sozialleben, Finanzielles, Versicherungen, eigenes Wissen, Medikamente, Ernährung, deine Einstellung, Verhalten und Gedanken – dein Gehirn!, deine Gene, deine Anatomie usw. Einfluss auf dein Schmerzerleben haben.

Zusammengefasst macht es Sinn, herauszufinden, was die Ursache sein könnte, aber sei dir bewusst, dass es sein kann, dass keine eindeutige Struktur, oder nicht eine einzelne für deine Schmerzen verantwortlich ist. Und dass deine Schmerzerfahrung individuell ist und nicht gleich wie bei einer anderen Person.

Genau das macht aber gute Physiotherapie auch aus: Es wird auf dich als Individuum eingegangen und die Behandlung wird an dich angepasst.

 

Noch mehr Fragen als zuvor? Melde dich gerne unter 06641054090 bei mir oder sprich bei der Therapie eventuelle Unklarheiten an, damit wir diese klären können.

Manchmal ist die Antwort einfach, manchmal kompliziert und oft kann ich dir keine perfekte geben. Aber ich bin immer bereit dazu, mit dir gemeinsam an Lösungen und Erklärungen zu arbeiten um das beste Ergebnis zu erzielen.

 

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